Nach 15 Jahren Outsourcing und zehn Jahren Tarifkampf ist es endlich so weit. Bei der Charité Facility Management (CFM), einer Tochter der Berliner Universitäts-klinik Charité, soll es künftig einen Haustarifvertrag1 geben. Dem sind viele Streiks, Aktionen und Engagement der Kolleg*innen voraus gegangen – denn 15 Jahre ohne Tarifvertrag hieß für die Kolleg*innen, dass über Urlaub, Gehalt oder Arbeitsbedingungen „frei nach Schnauze“ von den Chefs entschieden wurde.
Nach der Ausgliederung aller patientenfernen Tätigkeiten (wie z. B. Reinigung oder Sterilisation) in die CFM (2006) wurden die ca. 2.800 Kolleg*innen 2011 das erste Mal aktiv. Seitdem gab es über die Jahre viele Versprechungen der Geschäftsführung, doch nur durch Kämpfe und Aktionen der Beschäftigten konnten geringe Zugeständnisse erkämpft werden, wie z. B. ein Mindeststundenlohn von 11 € im Jahr 20172. Die Geschäftsführung reagierte auch mit Angriffen auf Beschäftigte. Jüngster Fall sind zwei Kündigungen und eine Abmahnung gegen Kolleg*innen aus der ver.di-Verhandlungskommission im September 2020.
Müller feiert geregelte Arbeits-bedingungen!
Im Herbst 2020 wurde ein Schlichtungsverfahren zwischen der verhandlungsführenden Gewerkschaft ver.di und der CFM-Geschäftsführung begonnen3. Ende Februar 2021 wurde das Verfahren beendet, als erfolgreich deklariert und der Berliner Bürgermeister Müller feiert nun geregelte Arbeitsbedingungen im landeseigenen Betrieb4. Die CFM-Beschäftigten hingegen erfuhren nur aus der Presse vom Erreichen eines Schlichtungsergebnisses und kennen bisher die Details nicht (Stand 09.03). Entsprechend viel Misstrauen herrscht unter ihnen. Statt zu feiern sollten sich Herr Müller & Co schämen. Löhne, die weder zum Leben noch für die Rente reichen, ungehemmte Ausbeutung von Kolleg*innen und Repressionen gegenüber betrieblichen Aktivist*innen wurden jahrelang vom Berliner Senat nicht nur geduldet, sondern politisch als Richtschnur des Handelns an Charité und CFM vorgegeben.
Nein zu Outsourcing
An vielen deutschen Kliniken laufen zurzeit Tarifauseinandersetzungen zwischen Outgesourcten und Eigentümer*innen, z. B. in Potsdam5 oder dem anderen Berliner Krankenhauskonzern Vivantes6. Dabei werden die Forderungen der Beschäftigten als unbezahlbar hingestellt. Die Budgetprobleme vieler Kliniken resultieren jedoch vor allem aus der desaströsen Finanzierung des Gesundheits-wesens und die Corona-Pandemie hat die Lage noch verschärft7. Dabei zeigen die Milliardenhilfen für Großkonzerne wie VW, TUI oder Luft-hansa (die z. T. auch noch Gewinne machen8), dass Geld genug da ist. Es ist eine Frage des Kräfteverhältnisses zwischen uns Arbeitenden und den Kapitalist*innen, wie gesellschaft-liche Ressourcen, wie z.B. Steuereinnahmen genutzt werden. Daher bleiben die Kolleg*innen der CFM auch nach der Schlichtung weiter aktiv und es gibt eine gemeinsame Mobilisierungskampagne von Charité- und Vivantes-Beschäftigten für mehr Personal im Krankenhaus. Das sind erste Schritte, damit der Reichtum unserer Gesellschaft auch da ankommt, wo er herkommt: bei uns!
Referenzen
1 In Österreich: Kollektivvertrag
2 https://www.verdi-cfm.com/tarif/, Tarifinfo „11€ reichen euch nicht?“. Bis 2020 wurde der Mindeststundenlohn stufenweise auf 12,50 € erhöht – basierend auf dem Vergabemindestlohn des Landes Berlin.
3 https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2020/ 11/platzeck-schlichter-charite-cfm-verdi-.html
4 https://www.berlin.de/sen/wissenschaft/aktuel les/pressemitteilungen/2021/pressemittei-lung.1057924.php
5 https://www.pnn.de/potsdam/klinikum-ernst-von-bergmann-in-potsdam-tariflohn-fuer-mehr-als-500-mitarbeitende-auf-der-kippe/26873674.html
6 https://www.verbaende.com/news.php/Tarifver handlungen-fuer-Vivantes-Toechter-aufgenom men?m=139816
7 siehe z.B. https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-bremer-klinikverbund-muss-personal-abbauen-_arid,1950547.html oder https://www.tagesspiegel.de/berlin/coronakrise-in-den-krankenhaeusern-berliner-vivantes-kliniken-machen-65-millionen-euro-verlust/26947864.html
8 https://www.automobil-industrie.vogel.de/vw-rechnet-fuer-2020-mit-einem-gewinn-von-10-milliarden-euro-a-994192/