Am 4. Oktober traten 75.000 Beschäftigte des Kaisers Konzerns (US-amerikanisches Unternehmen in der Gesundheitsfürsorge, a. Ü.) in einen Streik wegen unlauterer Arbeitspraktiken. Der Streik sollte drei Tage dauern und am Samstag, dem 7. Oktober um 6:00 Uhr morgens enden. Viele betrachten den Streik als historisch, als einen der größten Streiks der Beschäftigten im Gesundheitswesen in der Geschichte der Vereinigten Staaten. In den Medien wurde viel über den Streik berichtet, es gab Interviews mit Kaiser-Beschäftigten, die an den Streikposten standen und mit Patient:innen, die ihre Sympathie und ihr Verständnis für den Streik der Beschäftigten zum Ausdruck brachten. Es liegt auf der Hand, dass der Streik um die Gesundheitsversorgung ein Thema ist, welches vielen Menschen in den USA sehr am Herzen liegt – vor allem wenn man an die Erfahrungen mit Covid sowie an die alltäglichen Herausforderungen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung bei Kaiser und anderen Gesundheitsdienstleistern denkt. Die Gesundheitsversorgung ist eine Dienstleistung, die alle Menschen in der gesamten Gesellschaft miteinander verbindet. Dieser Streik könnte also nicht nur die Beschäftigten des Gesundheitswesens mobilisieren, sondern auch die Patient:innen und die breite Öffentlichkeit.
Die Beschäftigten streiken im ganzen Land: Kalifornien, Colorado, Washington, Oregon, Virginia und Washington DC. Zu den Streikenden gehören u. a. examiniertee Krankenpfleger:innen, Techniker:innen in der Notaufnahme und der Radiologie sowie Mitarbeiter:innen aus der Ultraschalldiagnostik, Atemtherapie, Labor- und Anästhesiebereich sowie aus der Abteilung der Verhaltensmedizin. Der Streik wurde von einer Gewerkschaftskoalition, bestehend aus der SEIU United Healthcare Workers West (SEIU-UHW) und 10 weiteren Gewerkschaften, ausgerufen.
Kaiser ist ein Gesundheitsriese, dessen Tentakel über das ganze Land reichen. Das Konsortium betreibt 39 Krankenhäuser und mehr als 700 Arztpraxen mit über 300.000 Mitarbeitern, darunter mehr als 87.000 Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen. Die Qualität der Versorgung bei Kaiser wird hoch bewertet, die Ärzt:innen erhalten ein Gehalt und werden nicht auf der Grundlage von Pauschalen bezahlt. Kaiser ist ein allumfassendes Gesundheitssystem, das alle Aspekte der Gesundheitsversorgung organisiert und bereitstellt, einschließlich Präventivmaßnahmen, Krankenhausaufenthalte, medizinische Behandlungen und Apothekendienste.
Kaiser hat jedoch viele Streitigkeiten mit den Gewerkschaften über Gehälter, Personalausstattung und andere Probleme. Darüber hinaus wurde der Konzern wiederholt mit zivil- und strafrechtlichen Anklagen wegen unsachgemäßer Entsorgung von Unterlagen und Patienten-Dumping („blutige Entlassung“) konfrontiert. Im Laufe der Jahre hat sich Kaiser einen schlechten Ruf erworben, weil es Arztvisitationen am Bett einschränkt, es lange Wartezeiten in den Notaufnahmen gibt und sich die Zugänglichkeit von anderen gesundheitlichen Dienstleistungen verschlechtert.
Während der letzten sechs Monate der Verhandlungen zwischen dem Kaisers Konzern und den Gewerkschaften war die Haltung des Kaiser-Managements am Verhandlungstisch beschämend. Es wurde berichtet, dass z. B. die Geschäftsleitung Tage zu spät zu den angesetzten Verhandlungssitzungen erschienen ist. Darüber hinaus hat Kaiser öffentliche Anzeigen bezahlt, um die Beschäftigten des Gesundheitswesens zu diffamieren und hat sogar E-Mails an die Beschäftigten verschickt, um sie von einem Streik abzubringen. Außerdem wurden die Beschäftigten unter Druck gesetzt – ihnen wurde gesagt, dass ihr Streik den Patient:innen schaden würde. Eine solche Anschuldigung lässt die Opfer, die die Beschäftigten des Gesundheitswesens während der Pandemie gebracht haben sowie ihr tägliches Engagement, den Patient:innen trotz der unzumutbaren Arbeitsbedingungen die beste Qualität zu bieten, völlig außer Acht.
Angesichts der Blockadehaltung von Kaiser am Verhandlungstisch ist klar, warum sich die Gewerkschaftsvertreter:innen gezwungen sahen, einen Streik auszurufen. 75.000 Beschäftigte des Gesundheitswesens, die landesweit die Arbeit niederlegen, senden eine deutliche Botschaft an die Chef:innen – ohne die Kolleg:innen werden Krankenhäuser funktionsunfähig und sogar gefährlich.
Die Kaiser-Beschäftigten haben es jedoch mit einem riesigen Unternehmen zu tun und angesichts dessen ist es unwahrscheinlich, dass ein dreitägiger Streik den nötigen Druck auf Kaiser ausüben kann. Bei einem dreitägigen Streik mit weit im Voraus festgelegten Terminen verfügt der Konzern über genügend Geld und Zeit, um sicherzustellen, dass Vorgesetzte und Leiharbeiter:innen einen Teil der Arbeit der Streikenden übernehmen können. Dies ist auch ein weiteres Zeichen dafür, dass Kaiser nicht im Geringsten an der Qualität der Patient:innenversorgung interessiert ist.
Die Gewerkschaftskoalition behauptet, dass Kaiser in böser Absicht verhandelt und zahlreiche unfaire Arbeitspraktiken (Unfair Labor Practices – ULPs) begangen hat. Dies ist richtig. Angesichts der Blockadehaltung von Kaiser scheint die Gewerkschaftskoalition jedoch nicht genug getan zu haben, um die Beschäftigten in den Kampf um einen fairen Vertrag einzubeziehen. Als die Zeit zum Streik am 04. Oktober immer näher rückte, schienen die Kaisers Beschäftigten völlig im Unklaren darüber zu sein, ob der Streik überhaupt stattfinden würde und wenn ja, wie die Beteiligung von ihnen aussehen würde. Die Beschäftigten hatten nur sehr wenige Informationen über die Streikforderungen und den aktuellen Stand der Verhandlungen. Einige fragten sich sogar, ob der Streik in der letzten Sekunde abgebrochen werden würde, wie es in der Vergangenheit üblich war. Wenn die Beschäftigten nur wenig darüber wissen, was hinter den Kulissen vor sich geht, wird es für die Belegschaft sehr schwierig, sich zu beteiligen, Entscheidungen zu treffen und die Organisation des Streiks aufzubauen.
Als Ergebnis blieben in Oakland zum Beispiel viele Beschäftigte zu Hause, um den Streik zu unterstützen, aber weitaus weniger Beschäftigte waren an den Streikposten beteiligt. Bei Kaiser Oakland, einer der wichtigsten Einrichtungen in Nordkalifornien, protestierten um die Mittagszeit höchstens 300 Beschäftigte vor dem Krankenhaus und am Nachmittag waren es noch deutlich weniger. Im Vorfeld des Streiks wurde auch wenig getan, um die Patient:innen oder die breite Öffentlichkeit zur aktiven Unterstützung der Streikposten aufzurufen, obwohl die meisten Menschen ganz offensichtlich Sympathie und Unterstützung für den Kampf der Beschäftigten im Gesundheitswesen empfinden.
Es ist unklar, wie es nach diesem dreitägigen Streik weitergehen wird. Sollte keine Einigung erzielt werden, droht die Gewerkschaftskoalition im November erneut zu streiken. Es ist so vieles unbekannt, was hinter den Kulissen vor sich geht, dass das nächste Kapitel und die Ergebnisse schwer vorherzusagen sind. Es scheint leider auch unwahrscheinlich, dass die Arbeiter:innen in dieser nächsten Phase eine größere Rolle spielen werden. Trotz all der Opfer, die die Beschäftigten des Gesundheitswesens während der Pandemie gebracht haben und auch heute noch bringen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dieser Top-down-Ansatz der Gewerkschaftsfunktionäre zu einem Vertrag führen wird, der nicht einmal annähernd dem entspricht, was die Beschäftigten wollen, brauchen und verdienen.
Artikel vom 06. Oktober 2023 von unserer Schwesterorganisation Speak Out Now, Übersetzung vom 13. Oktober 2023
Original Artikel: https://speakoutsocialists.org/kaisers-historic-strike-but-what-will-result/
Bild Quelle: ufcw770 via flickr